Nach dem Knall war der Schreck bei uns dreien natürlich groß. Wie konnte das denn passieren? Es hat doch sonst immer rein gepasst! Und was machen wir jetzt, was kostet es und – darf man damit überhaupt noch fahren? Fassungslosigkeit machte sich breit…überall Scherben! Das Glas war in tausende, winzige Teile gesplittert, messerscharf und überall. Die meisten waren kaum zu sehen; erst wenn sie schon im Finger steckten. Unsere Rucksäcke und Klamotten waren übersäht von glitzernden Brocken.
still remember how it sounded |
Der Kofferraum war für die Abfahrt am nächsten Morgen fertig bepackt gewesen. Wir begannen – nach Überwindung der Schockstarre und den Kopfschütteltiraden – damit, den Inhalt Schicht für Schicht auszuladen. Wir wollten möglichst viele Splitter nicht in die Anziehsachen rutschen lassen und schüttelten alles auf dem hohen, doch mittlerweile zertrampelten Gras aus, wo sich bald ein funkelnder Haufen ansammelte. Wir hatten extra alles für die Abfahrt fertig gemacht und jetzt sah es auf unserem Campground in der Wiese so aus, als würden wir wieder in Bunbury unseren Subaru packen. Um das Auto lagerten unsere Besitztümer in Häufen.
Bei leerem Kofferraum begannen wir, die Bodenmatte zu reinigen. Die Splitter verhakten sich hartnäckig in den Fasern des Stoffs und waren durch Wegfegen (mit bloßer Hand) kaum zu entfernen. Ein Staubsauger wäre das richtige Hilfsmittel gewesen, doch zwischen Pampa und Prärie gab es weder Sauger noch Stecker. Wir behalfen uns ganz im Sinne der backpacker-typischen Improvisation mit Löffeln und unserer Luftpumpe. Für unsere Qualitätsluftmatratzen kauften wir nämlich vor der Abreise bei einem sehr unfreundlichen Garagenverkäufer in Bunbury eine elektrische Pumpe, die über den Zigarettenanzünder lief und passabel pustete. Sie half, die unsichtbaren Bruchstücke aus dem Kofferraum zu bekommen, doch das ganze war eine langwierige Aufgabe – unter widrigen Umständen: wir waren alle müde, und es war kalt und stockduster. Die einzigen Lichtquellen waren Taschenlampen und Kopflichter. Die Stimmung war auch nicht wirklich erhellend.
Rule No.1, Rule, No. 1. Rule No. 1... |
Es war so unglaublich ärgerlich und unumkehrbar. Keiner von uns war richtig Schuld, niemand konnte die Folgen abschätzen – fürs Fahren, für die Straßenzulassung, für den Verkauf. Erst mit Fortschritt der Aufräumarbeiten waren Dialoge wieder möglich und wir begannen, den Ablauf zu rekonstruieren. Irgendwas lag im vorderen Teil des Kofferraums wohl im Weg, als René den Tisch einlud. Dummerweise hat weder er noch ich die minimale Ungenauigkeit gesehen (es kann nicht mehr als ein oder zwei cm gewesen sein) oder sie bemerkt, bis er mich zum Zumachen aufgefordert hat. Und ich hab mir halt gedacht, naja, wenns beim ersten Mal nicht richtig zu geht, muss mans eben mit mehr Gewalt probieren. Hab ich gemacht. So wie sonst auch! Naja, war nicht so schlau, aber im Nachhinein lässt sich wenigstens feststellen, dass der Deckel dann zu war.
Ohne Schuldigen konnte man sich nur über sein Pech ärgern. Fluchen auf verschiedenen Sprachen half nur bedingt beim Wiedereinladen der Habseligkeiten. Wir hatten den Plan gefasst, unseren Platz zu verlassen – wir haben uns große Mühe gegeben, so viele der Splitter vom Boden aufzulesen wie möglich. Im Lichtstrahl der Taschenlampe blitzte aber ständig wieder ein neuer Brocken auf und es war klar, dass wir richtig tief in der Scheiße sitzen würden, wenn uns ein Ranger oder Öko so erwischt. Wir mussten also trotz unserer moralischen Barrieren abhauen.
Die Plastiktüte mit den Scherben wog einige Kilos. Wir brachen alle Überbleibsel vom Rahmen ab und packten nur schwere Dinge in den Kofferraum, denn die nöchsten Kilometer mussten mit Ladeluke gefahren werden. Bis wir den Subaru endlich allradmäßig aus unserem Unterschlupf bekommen hatten, vergingen Minuten des Rangierens - zwar glaubte keiner von uns daran, aber bei 90$-K-Mart-Reifen möchte man möglichst wenig riskieren und über Scherben fahren.
Wir fuhren bis zur nächsten Siedlung zu einer Tankstelle. In Deutschland hatte gerade ein neuer Tag begonnen und Remco versuchte seinen Vater zu erreichen: vor seiner Abreise in Holland hat er eine Versicherung für diverse Unfälle abgeschlossen und wollte ihn dazu befragen. Nach einigen Telefonaten war klar, dass das wohl kaum Sache der Versicherung sein würde. An diesem Punkt sei gesagt: zu keiner Sekunde wurde irgendwem Schuld zugewiesen oder "you did ..., you pay ..." vorgeworfen. Das rechne ich unserem Trio hoch an, denn die Nerven waren angekratzt und der Scherbenhaufen im wahrsten Sinne des Wortes groß.
Meine Nerven wurden während der Warterei auf den Rückruf von Remcos Vater noch weiter strapaziert und nur durch meine geheimdiensttauglichen, blitzschnellen Tötungsreflexe konnte ich Schlimmeres verhindern: scheinbar hat sich eine Spinne von der Größe eines Autoreifens (okay, etwas kleiner) während den Aufräumarbeiten in den Subaru geschlichen und als ich auf der Rückbank wartete, krabbelte nein stampfte das Riesending über den Eski. Das war ihr Fehler. In solchen Momenten muss man abgebrüht und rücksichtslos handeln. Die eigentlich harmlose Zeitschrift wurde in meinen Händen zur tödlichen Waffe.
Das war das eigentliche Drama dieses Abends!
Die Nacht verbrachten wir letztendlich auf irgend einem Highway-Parkplatz down the road. Direkt am Morgen fuhren wir am Schild "Mt Gambier" vorbei, bogen zum australischen Obi ab und kauften Karton, Müllsäcke und Panzertape. Auf dem Parkplatz machten wir das beste aus der Situation.
aaaaaand it's done |
Obwohl es nicht so aussah, war diese Konstruktion ein wahrer deutscher Export. Mehrfach präzise und durchdacht vertaped, war es garantiert waterproof. Doch eins konnte auch die deutsche Qualität nicht verhindern, denn außer der Reperaturbedürftigkeit brachte our fucked up window noch ein weiteres Problem mit sich: nichts war mehr im Auto sicher. Geldbeutel, iPhone, Laptop, Kamera, Objektive, GoPro, ...alles musste immer mitgenommen werden. Das war verdammt mühselig.
Und es sah nicht gut aus - die kommenden Stunden und Tage verbrachten wir mit Plänen zu unserem weiteren "Verfahren".
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