Montag, 1. April 2013

Auf dem Weg - The Red Centre



"[About Uluru] I'm suggesting nothing here, but I will say that if you were an intergalactic traveler who had broken down in our solar system, the obvious directions to rescuers would be: "Go to the third planet and fly around till you see the big red rock. You can't miss it." If ever on earth they dig up a 150,000-year-old rocket ship from the galaxy Zog, this is where it will be. I'm not saying I expect it to happen; not saying that at all. I'm just observing that if I were looking for an ancient starship this is where I would start digging.” (Bill Bryson)

Ein Gastbeitrag von Sabine


Nach einer kurzen Nacht, in der in unseren Träumen hunderte Zwergpinguine marschiert sind, mussten wir schon um 6 Uhr aufstehen, um den 9.50 Uhr Flieger von Melbourne nach Alice Springs zu nehmen. Diszipliniert und genau im Zeitplan wurde gefrühstückt, ausgecheckt, ca. 25 km von der Innenstadt an den Flughafen gefahren, das Mietauto abgegeben und das Gepäck mithilfe einer freundlichen Qantas Angestellten selber aufgegeben, nachdem wir bereits heute Nacht online eingecheckt hatten.

Um 9.30 Uhr boardeten wir zu unserem fünften Flug auf dieser Reise, in die fünfte Zeitzone innerhalb einer Woche und in den dritten State Australiens (an dieser Stelle, gerichtet an den kleinsten, nie nölenden, immer aufmerksam so viel Neues aufnehmenden Jüngsten unserer Reisegruppe: Moritz, Chapeau!).


Den 2255 km langen Flug von Melbourne  in Victoria nach Alice Springs in Northern Territory 


verbrachten wir mit Schlafen, Das Leben des Pi angucken, Tagebuch schreiben und Mails sortieren,


umsorgt vom freundlichen Qantas Service, übrigens der einzigen Fluglinie, die Alice Springs anfliegt. Max stellte bei jeder vertilgten Butter Chicken Tortilla und jedem konsumierten Soft Drink 'for complimentary' wichtige Unterschiede zwischen Qantas und Tiger, der low faire airline, fest.


Die 27.000 Einwohner zählende Stadt Alice Springs, auch "The Alice" genannt, ist die einzige Stadt im Zentrum von Australien und liegt etwa in der geographischen Mitte des Kontinents. 1500 km entfernt von ihr findet man erst die nächsten, vergleichbar großen Städte.
Weil das Land so groß ist, die in Outback und Bush lebende Bevölkerung aber medizinisch versorgt sein muss, gibt es die 1928 gegründeten Royal Flying Doctors.


Von 21 Basen aus decken die RFD über 80 % des australischen Kontinents ab. Sie bieten einen ganzjährigen 24-stündigen Service der medizinischen Grund- und Notversorgung an. Für die krankenversicherten australischen Bürger kostenlos, für andere, zB Touristen, gegen Rechnung, die in der Regel von deren Reisekrankenversicherung gezahlt wird. Damit bringen sie den in sogenannten remote areas lebenden und reisenden Menschen Gesundheitsvorsorge und Notfallhilfe. "Die Hilfe kommt von oben!", davon sei jeder in remote areas lebender Australier schon von klein auf überzeugt.

Auch das Problem der Schulbildung der über hunderte Quadratkilometer verstreut lebenden Kinder scheint Australien vorbildlich gelöst zu haben: mit der 1951 gegründeten School of the Air, dem weltweit größten Klassenzimmer. Schon 4,5 Jahre alte, in der Regel auf großen Rinderfarmen, in Gemeinschaften der Aborigines, in Touristenorten, Nationalparks oder Militärbasen wohnende oder einfach nur mit ihren Eltern reisende Kinder können in der School of the Air eingeschrieben werden. Mithilfe von live übertragenen Unterrichtsstunden, Hauslehrern und Unterrichtsmaterial arbeiten die Schüler dieser öffentlichen Schule denselben, für alle öffentlichen Schulen geltenden Lehrplan ab.
Wir konnten dem virtuellen Kunstunterricht etwa 6-jähriger Schüler zuschauen und hatten den Eindruck, dass es sowohl Lehrerin, als auch Schülern Spaß machte.


Die Besichtigung der Old Telegraph Station, einem am Rand Alice Springs errichteten Freilichtmuseums, war interessant, fiel jedoch wegen Temperaturen von über 38 Grad im Schatten relativ kurz aus.


Im klimagekühlten Van fuhr uns unser Guide Ramona durch CBD Alice Springs zu der höchsten Erhebung der Stadt, auf der sich ein Kriegerdenkmal befindet und von der man einen guten Überblick über die überschaubare Stadt hat. Welch ein Unterschied nach Skytower in Sydney und Eurekatower in Melbourne!


Gegen 15 Uhr konnten wir dann im Hotel einchecken. Es gab nur für 20 min free wifi, weshalb Johanna und Max die Zeit nutzen konnten für einen Kurzschlaf im klimatisierten Hotelzimmer, Stefan zum Buch lesen und Moritz und ich zum chillen am Pool. Gegen 18 Uhr, quasi mit dem letzten Tageslicht, brachen wir auf zu einem 30-minütigen Spaziergang in die Stadt zu einer Kneipe namens Bojangles. Ein must für jeden, der in Alice ist. Umgeben von schummerigem Licht, ausgestellten Überbleibseln aller Art aus der australischen Geschichte, von aufgehängten Fotos über Werkzeuge bis hin zu abgezogenen Krokodilhäuten und Geweihen, tranken wir wieder einmal kühles Bier aus Saftkaraffen, sogenannten Jigs, aßen Steak und Kängurufleisch  und freuten uns.


 Für den Rückweg mussten wir uns ein Taxi nehmen. Zu gefährlich ist der Heimweg das ausgetrocknete Flussbett entlang nach Einbruch der Dunkelheit. Ca. 1/3 der Bewohner von Alice sind Aborigines bzw. traditionelle Eigentümer, so die politisch korrekte Bezeichnung und sie sind gerade in Verbindung mit Alkohol ein ernst zu nehmendes Sicherheitsrisiko.

Der nächste Tag begann mit dem pick off  um 8 Uhr und kleinem Gepäck. Nachdem wir uns im Supermarkt mit Essen und Wasser eingedeckt hatten, starteten wir endlich um 9 Uhr Richtung Kings Canyon.


480 km endlose Strasse durch doch nicht gleichtönige Landschaft, vorbei an abgebrannten Flächen riesigen Ausmaßes, immer wieder erklärt von unserer Guide, ließen Langeweile nicht aufkommen.
Der erste Stopp führte uns auf eine Kamelfarm, auf der ein Dingo - zwar aufgezogen von Menschen, aber immer noch wild - lebt, ebenso wie Kängurus, die weil verletzt dort abgegeben oder als Baby wegen getöteter Mutter dort aufgezogen werden. Aus 20 cm Entfernung sahen wir aus dem Kängurubeutel mal einen kleinen Schwanz, mal ein kleines Köpfchen gucken. Und alle fünf waren wir fasziniert.

Der nächste Stopp ließ uns inmitten von desert oaks halten, durch die der Wind blies und uns eine Art Meeresrauschen hören ließ. Der Sand war heiß und rot wie in Namibia, und doch war alles anders.

Auf dem letzten Teilstück nach Kings Canyon überfiel unsere Reisegruppe, den Fahrer und Moritz ausgenommen, eine tiefe Müdigkeit. Die war aber nur von kurzer Dauer, denn gegen 16 Uhr erreichten wir Kings Canyon und wanderten eine gute Stunde durch den Creek, ein Flussbett in dem Schatten spendende Witwenmacher (Bäume, deren abgestorbene Äste runterbrechen und Frauen zu Witwen machen) stehen, in dem man die alten Sandsteinfelsen, deren rote Farbe von oxidiertem Eisen kommt, sehen und anfassen konnte, eingerahmt von den Steilwänden des Canyon. Ein heißer, auch Dank der  Erklärungen von Ramona sehr eindrucksvoller Walk.


Verschwitzt und müde steuerten wir unsere letzte Station dieses Tages, Kings Creek Station, an. Dabei handelt es sich um eine Farm, die mit Shop, Tankstelle, Hubschrauberlandeplatz und Campground ein Stützpunkt für im Outback lebende Australier, Durchreisende und Touristen ist.
Dort übernachteten wir in Safari cabins, Zelten mit festem Untergrund, und zur Freude von Max nicht in bunkbeds, sondern in echten Betten.


Mit Sonnenuntergang verschwanden die Millionen Fliegen und Max, Moritz und ich bereiteten in der Campingküche unser Abendessen - riesige Steaks, Spaghetti, Karotten mit Dip - zu.
Max Augen glänzten. Endlich wieder Free-Food-Regale, mit Edding zu kennzeichnende Lebensmittel und an rohen Holztischen sitzend essen.


Als wir da in unter dem Sternenhimmel des australischen Outbacks sitzend, verschwitzt und müde, das selbst zubereitete Essen „spachtelten“, dazu Bier aus Dosen tranken, fühlte ich mich einfach sorgenfrei und tief dankbar für solche Momente des Glücks.

In der Nacht regnete es in Kings Creek zum ersten Mal seit langem, es stürmte, aber unser Zelt trotzte den Gewalten.
Früh am nächsten Morgen begrüßte uns der Tag mit blauem Himmel, weißen Wolken, Wind und lauer Luft. Der Regen hatte die Luft sauber gewaschen, der Staub war für die nächsten Stunden gebannt, doch die Millionen Fliegen umschwirrten uns wieder auf der Suche nach jedem Tropfen Flüssigkeit. Mit stoischer Ruhe ertragen die Einheimschen diese Quälgeister, Max trug ein von einer backpackerin vererbtes Netz, Stefan schimpfte über die Fliegen ohne Ende, bis dass Ramona ihm ein Netz schenkte. Johanna war mit einem Schal verhüllt wie in einer Burka und ein weiteres Mitglied unserer Reisegruppe bemerkte nur ganz trocken "Ich fühle mich wie ein Kothaufen.".


Stefan, Max und Johanna brachen um halb acht auf zum Kings Canyon Rim Walk, einer 6,5 km langen Wanderung, keinem Spaziergang!, entlang der Kante des Kings Canyon. 








Fliegen - immer dabei

Am Nachmittag zuvor war der Aufstieg gesperrt, zu gefährlich wegen der hohen Temperaturen. Moritz und ich blieben so lange im Camp, genossen unser erstes echtes australisches breakfast (2 Spiegeleier, Bacon, Toast und Kaffe, vorher cereals) und schlossen Freundschaft mit einem kleinen Kamel, dessen Mutter starb und das nun in der Station aufgezogen wird.

Wurm trifft Kamel

Mit Ramona holten wir um 10 Uhr die erschöpften Wanderer ab und fuhren dann den Stewart Highway entlang in Richtung Rock, vorbei am

auch die "Zahnbürste" genannt
Mount Connor (nicht Ayers Rock!), dessen Besichtigung nur nach Anmeldung mit Genehmigung des traditionellen Eigentümers möglich ist. Auch vorbei an


Lake Amadeus, einem großen Salzsee, ca. 1,5 Stunden entfernt vom Rock.

Schließlich erreichten wir auf dem Lasseter Highway das Resort und damit unseren Ausgangspunkt zu den Kata Tjutas und Uluru.


Nach einem kurzen einstündigen  break mit Zimmer beziehen und Poolschwimmen fuhren wir um 15.45 Uhr ab Richtung Nationalpark.
Um 16.00, endlich: Uluru!

Doch dieser Monolith durfte unsere Aufmerksamkeit erst später genießen. Denn wir waren auf dem Weg zu Kata Tjuta. Eben nicht Olgas, seit 1985 nicht mehr. In diesem Jahr nämlich ist das Land den traditional owners zurück gegeben worden.

Der Kata Tjuta ist der traditionelle aborigine Name und bedeutet 'viele Köpfe'. 36 steilwandige Kuppeln, 32 Kilometer Luftlinie entfernt von Uluru und 200 Meter höher als dieser, haben bei manchen Besuchern mehr Eindruck hinterlassen als Uluru. Auch die Kata Tjutas sind in Besitz der Anangu (den Aboriginie-locals) und denen heilig.

Dort wanderten wir den 1,3 km langen Weg Walpa Gorge, zwischen 2 Köpfen, hin und zurück. Die steilen, unbewachsenen Wände sind sehr beeindruckend.



Leider zogen am Himmel immer mehr Wolken auf, so dass der Programmpunkt "Sonnenuntergang am Uluru" zwar wie angekündigt von Sekt und Knabbereien begleitet war, nicht aber von dem Farbenspiel, das wir erhofft hatten. Schade, aber: "es ist wie es ist". Dafür waren nur wenige Menschen dort.

mit australischer Burka


Typisch australisch beendeten wir den Abend mit viel Lachen bei gegrillten Krokodil- und  Känguruspießen in einem BBQ Restaurant. Salate und Brotpudding mit Vanillesoße gibt es an der Bar, das vorher ausgesuchte Fleisch grillt man (Max!) selbst. Dazu Livemusic und ein kühles Bier. Lecker!


"Es ist wie es ist", dachten wir auch am nächsten Morgen. Denn der mit sehr frühem Aufstehen verbundene sunrise am Uluru wurde verdeckt von dicken, dunklen Wolken, aus denen zur Freude der residants sogar ein paar Tropfen Regen kamen.


Wieder kein Farbenspiel, keine Diskussion ob sunrise oder sunset schöner ist. Müssen wir eben wieder kommen!

Nach einem Frühstück im cultural centre durften wir den Mala Walk, einen ca 2 km langen Weg entlang des Uluru, geführt von Vincent, einem Aborigine, unterstützt von Ramona, machen.


Wichtig zu wissen, wenn man den Nationalpark betritt ist, dass es strenge, von den traditionellen Eigentümern aufgestellte Verhaltensregeln gibt. So darf grundsätzlich auf den Straßen nicht angehalten werden. Wege dürfen, auch nicht für 20 cm, verlassen werden. Es dürfen keine Blätter gepflückt, Zweige abgebrochen, Sachen mitgenommen werden. Fotografieren ist an einigen Stellen streng verboten. Denn der Ort ist den Traditionals heilig und Verstöße gegen die Regeln werden von den Rangers unerbittlich geahndet, in der Regel mit hohen vierstelligen Geldstrafen. Darüber hinaus soll respektloses Verhalten Unglück bringen. Ein im Kulturzentrum ausgelegtes Ringbuch mit Entschuldigungsschreiben von Leuten aus aller Welt, die zum Beispiel mitgenommene Steine wieder zurückschickten, weil sie großes persönliches Unglück erlebt haben und dem Spuk ein Ende bereiten wollten, soll das verdeutlichen.


Die Traditionals trifft diese Verbote als Eigentümer nicht. Vincent ließ uns Blätter, Nadeln und Früchte zerreiben, um uns deren heilende Wirkung zu erklären. Wir durften mit ihm den Weg verlassen, um ein Wasserloch und jahrtausende alte Zeichnungen aus der Nähe zu betrachten. Ramona musste derweil all den anderen Touristen erklären, dass sie nicht nachkommen dürften, dies sei eine Special Tour…und das war sie auch, zumal Vincent uns zum Schluss die sozialen Probleme der Aboriginals aus ihrer Sicht schilderte und wir sogar mit Ramona zu seiner Community fahren durften. Ohne Erlaubnis für Nicht-Traditionals streng verboten! Dies bot einen sehr eindrucksvollen Blick in die Perspektive der Aboriginies und dementsprechend viel Gesprächsstoff.

Vincent

Politisch vollkommen korrekt - das darf jeder essen

Der Food Court: hier wurde seit tausenden Jahren Essen zubereitet

Aboriginies malen traditionellerweise in Sand.

Noch ein Halt am Wasserloch Kapi Mutijulu,


Essen einkaufen im Resort, auftanken (man tankt immer sobald es eine Tankstelle gibt, weiß man doch nicht, ob die nächste genug Diesel hat), und schon ging es auf die mit kurzen Pausen 5-stündige Rückfahrt nach Alice Springs. Sonnenuntergang ist um 18.23 Uhr und jeder Fahrer in Australien vermeidet es, in der Dunkelheit Auto zu fahren. Zu groß ist die Gefahr schwerer Kollisionen mit Kängurus.

Etwa eine Stunde entfernt von Alice Springs fing es an, heftig zu regnen. Es bildeten sich große Pfützen auf der Straße, aus denen die Kängurus tranken, weshalb wir mehrmals bremsen mussten. Da verstanden wir, weshalb in der Dunkelheit nicht Auto gefahren werden soll! Mit dem letzten Tageslicht errichten wir schließlich wieder Alice, um morgen von dort nach Cairns, dem vierten state Australiens den wir besuchen, in die sechste Klimazone, sechste Zeitumstellung dieser Reise zu fliegen.


Mit der Rückkehr im Hotel in Alice endete für uns ein freudig erwarteter Ausflug ins Rote Zentrum Australiens. Ein weiteres Weltkulturerbe haben wir mit den Kindern besichtigen können.


Dieses Land ist vielfältig in jeder Hinsicht, die Bewohner freundlich und hilfsbereit, die Wärme wohltuend. Auch wenn der Weg weit ist: see you again, Australia!


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