Diese Schnitzelmetropole ist mir von Markus empfohlen
worden, der mit seinem Freund Merlin wenige Monate zuvor auch von West nach Ost
roadtrippte. Sie soll für einen Deutschen verpflichtend zu besuchen sein, denn
wie es der Name schon nahelegt, liegen die Wurzeln von Hahndorf irgendwo
zwischen Rhein und Oder.
Nur wenige wissen, dass South Australia der einzige
Bundesstaat Australiens ist, der nicht von importierten Strafgefangenen
gegründet wurde, sondern von freien Siedlern. Die Deutschen wären nicht
deutsch, wenn sie sich nicht auch an dieser Expansion versucht hätten – große Pläne
– und so wurde 1838 die deutsche Kolonie „Süd-Australien“ gegründet. 100 Jahre
später ließen sich über 180 Einwanderer in einem Tal nieder und nennen ihre
Siedlung Hahndorf. Das deutsche Erbe des Dorfs ist nicht zu leugnen, aber auch
nicht das des ganzen Kontinents, denn Ende der 80er-Jahre wurde errechnet, dass
mehr als 1,3 Millionen Australier mindestens einen Deutschen Einwanderer im
genetischen Stammbaum haben.
Motor der trotzdem beschaulichen Stadt ist Tourismus und so
gibt es viele „Original German Bier“-Wirtshäuser und Brezeln mit Weißwurst und
süßem Senf. Sonst ist aber für einen „echten“ Deutschen nicht allzu viel neues zu
sehen und so brachten wir nur einen Vormittag in Hahndorf zu. South Australia
ist neben Victoria und Western Australia Herkunftsort vieler Weine und das
Zentrum des Anbaus liegt in dem bergigen Gelände um Adelaide und Hahndorf. Es
war schon Anfang Mai und der Herbst der südlichen Hemisphäre zeigte sich in dem
malerischen Tal des Dorfes mit wunderschönen Alleen dicker Bäume; voller Laub von
gelb über orange bis rot. Das Bild erinnerte mich so sehr an die Region um
Freiburg, sodass sich gerade angesichts des näher rückenden Abflugtermins doch
ein bisschen Heimweh einschlich. Ich kann mich an keine idyllischere Landstraße
erinnern, und bis dato hatten wir immerhin knapp 5.000 km auf der Uhr.
Nature's working. Toter Pelikan |
Die Straße führte uns später wieder unmittelbar an der
flachen Küste entlang. Die Gegend dort ist malerisch. Einsam und durch den
Wind, die kraftlose Sonne und die hohen trockenen Gräser an den ewigen Sandstränden
sah es manchmal so aus wie Sylt. Unter stahlblauem Himmel dampften wir über die
schnurgeraden Straßen - unser Subaru schnurrte wie eine Katze, der Sprit war
günstig, der Kühlschrank voll…doch wurden auch die Tage wurden kürzer, die
Sonne schwächer und die Entfernung zum Ziel Melbourne immer kleiner. Über
Wochen fährt man jeden Tag dutzende, hunderte Kilometer, denkt nicht viel über
die Zeit oder die Distanzen nach und meint, dass das Land nie endet, Melbourne
noch genauso weit weg ist wie in der Woche zuvor und uns noch ganz viel bevor
steht – doch die Zeit bleibt auch 16.000 km fern der Heimat nicht stehen und so
wird einem auf einmal doch wieder unweigerlich klar, dass das ganze
roadtripping nicht für die Ewigkeit ist und die verbleibenden Stunden wie Sand
in den Händen verrinnen. Die neu gewonnene Erkenntnis der Vanitas meiner Zeit
in Australien war in diesen Tagen in meinem Kopf präsent, denn bis dato hatte
ich das Gefühl, dass noch so viel Australien vor mir liegt.
Weil sich solche Gedanken aber wegseufzen lassen und ich
Rule No. 1 „Never Complain“ verpflichtet bin, trübten sie höchstens zeitweise
meine Stimmung oder die im Auto. Schließlich steht das letzte große Highlight
Great Ocean Road noch komplett bevor und ändern können wir auch nichts dran.
Wir machten also weiter wie gehabt – mit dem Einsetzen der Dämmerung wird wie
immer nach einem Platz zum Schlafen Ausschau gehalten und wie immer nach
erfolgreichem Aufbauen von Zelt, Stuhl und Tisch gekocht und gespachtelt.
Weil wir irgendwo im Nirgendwo waren und wir nicht direkt am
Highway schlafen wollten (die Roadtrains sind auch abseits der Nullarbor sehr
laut), bogen wir bei schwindendem Tageslicht auf eine Gravelroad rechts ab. Wir
suchten nach einem Platz, der uns etwas Sichtschutz vor den Rangern bot. Wildcampen
ist noch immer by law verboten und wir wussten nicht, ob wir gerade in einem
Nationalpark umherfahren oder nicht. Den drakonischen Strafen sind wir schon
einmal mit viel Glück entronnen; beim zweiten Mal würde uns aber sicherlich nicht
so viel Nachsicht erwarten. Das war uns klar und so fuhren wir aus dem
Nirgendwo bis kurz hinter den Mond. Weil uns aber auch das zu riskant war,
bogen wir hinter dem Mond noch einmal rechts ab und fuhren mit unserem Allrad über
Stock und Stein hinter einige Büsche. Dieser Stellplatz schien geeignet und wir
bauten auf.
Das Licht war an diesem Abend faszinierend, wie im letzten Post zu sehen ist. Die Sonne
tauchte die Felder in goldenes Licht, das die mit bloßem Auge zu sehende
Dynamik der Farben surreal wirken ließ. Es war fast wie in Namibia, aber
kälter.
Nach dem Essen haben wir noch einen Film auf Renés Laptop
angesehen. Gegen zehn gingen bei uns immer die Lichter aus, weil wir stets früh
aufstanden und abends froh um des Schlaf waren. So packten wir im Schein der
Taschenlampe unser Zeug zusammen.
Die Ranger in Australien beginnen ihren Dienst unseren
Insiderinformationen zufolge am frühen Morgen zwischen fünf und sechs Uhr. Für
uns bedeutete das für die Risikominimierung ein ebenso frühes Aufstehen, um
nicht erwischt zu werden. Damit wir morgens aber nicht erst demontieren und
Tetris im Kofferraum spielen müssen, sondern schnell den Ort des Geschehens
verlassen können, war das Auto am Abend soweit gepackt wie möglich. So haben
wir es auch hier getan.
An dieser Stelle ist ein kleiner Exkurs vonnöten: Unsere
Ausstattung von K-Mart. K-Mart ist über die kontinentalen Grenzen für seine
unvergleichbare Qualitätsware bekannt – und für seine konkurrenzlos niedrigen
Preise. Unsere Grundausstattung für Kochen, schlafen und Leben war nur durch dem
australischen eBay Kleinanzeigen gumtree.com.au und K-Mart zu finanzieren.
Zelte (water- & oxygenproof), Pfannen (extra sticky), Töpfe (oops you just
made another dent), Schlafsäcke (anything but warm) und und und stammten von
K-Mart – und unser Tisch.
Er sah für den Preis von unter 20$ echt gut aus, hatte Beine
aus Aluminium und war auch an den Kanten mit Metall verkleidet. Die Beine konnte
man für den Transport anklappen, denn das größte Problem des Subarus war die
Größe des Kofferraums. Trotz der effizienzoptimierten Struktur und Ordnung war
er immer voll. Im Laufe der Wochen haben wir, speziell Remco, ein Beladeplan
mit Kompartimenten für die einzelnen Verwendungsbereiche im Kofferraum
entwickelt. Rucksäcke gestapelt auf der einen Seite, der erste Campingkocher
hier und der zweite dort, das Spüli immer an der selben Stelle, Schlafsäcke
neben den Zelten und irgendwo vorne im Fußraum liegt auch der Geschirrschwamm.
Selbst die Schuhe sind aus dem K-Mart! |
Den Tisch stellten wir immer aufrecht auf die lange Kante.
Wenn man ihn bis an die hintere Sitzbank schob, passte er mit ein paar cm Luft
gerade so rein. Wichtig ist „bis an die hintere Sitzbank“ und „gerade so“. Wir
packten an besagtem Abend also unser Zeugs für den schnellen Abflug zusammen,
Remco lud die Töpfe ein, René den Tisch und schnell war der Kofferraum beladen.
Ich wollte den Kofferraum zu machen. Aha, mit einer Hand wars nicht kräftig
genug, aber das passiert ja öfters bei dem alten Karren. Also mit zwei Händen
und ordentlich Schwung – es tat einen Schlag und der Deckel war zu. Und die
Scheibe kaputt.
Tisch aus China sticht Auto aus Japan. 1:0.
Und was jetzt?
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