Freitag, 25. Oktober 2013

China gegen Japan: 1:0


Den Kontakt zur Zivilisation verloren wir nach unserer Abreise aus Adelaide zwar nicht, aber das Verkehrsaufkommen ebbte nach den Vorstädten der Millionenmetropole nach und nach ab. Die Autos wurden wieder größer, die Straßen gerader und die Dörfer kleiner. Nach dem Südwesten des Kontinents und der Gawler-Range fühlten sich aber auch die wenigen, immer spärlicher auftauchenden Höfe nach richtig viel Leben an. Wir planten auch weiterhin nicht viel von unserer Route, um möglichst flexibel und spontan zu bleiben. Die nächste Etappe über knappe 450 km sollte in Mount Gambier enden, wo uns von Richtung Westen reisenden Campern der faszinierende „Blue Lake“ empfohlen wurde. Die Kompassnadel auf dem iPhone zeigte 101° an, als wir für Stopp Nummer 1 in dem deutsch-holländischen Auto saßen: Hahndorf.

Diese Schnitzelmetropole ist mir von Markus empfohlen worden, der mit seinem Freund Merlin wenige Monate zuvor auch von West nach Ost roadtrippte. Sie soll für einen Deutschen verpflichtend zu besuchen sein, denn wie es der Name schon nahelegt, liegen die Wurzeln von Hahndorf irgendwo zwischen Rhein und Oder.
Nur wenige wissen, dass South Australia der einzige Bundesstaat Australiens ist, der nicht von importierten Strafgefangenen gegründet wurde, sondern von freien Siedlern. Die Deutschen wären nicht deutsch, wenn sie sich nicht auch an dieser Expansion versucht hätten – große Pläne – und so wurde 1838 die deutsche Kolonie „Süd-Australien“ gegründet. 100 Jahre später ließen sich über 180 Einwanderer in einem Tal nieder und nennen ihre Siedlung Hahndorf. Das deutsche Erbe des Dorfs ist nicht zu leugnen, aber auch nicht das des ganzen Kontinents, denn Ende der 80er-Jahre wurde errechnet, dass mehr als 1,3 Millionen Australier mindestens einen Deutschen Einwanderer im genetischen Stammbaum haben.

Motor der trotzdem beschaulichen Stadt ist Tourismus und so gibt es viele „Original German Bier“-Wirtshäuser und Brezeln mit Weißwurst und süßem Senf. Sonst ist aber für einen „echten“ Deutschen nicht allzu viel neues zu sehen und so brachten wir nur einen Vormittag in Hahndorf zu. South Australia ist neben Victoria und Western Australia Herkunftsort vieler Weine und das Zentrum des Anbaus liegt in dem bergigen Gelände um Adelaide und Hahndorf. Es war schon Anfang Mai und der Herbst der südlichen Hemisphäre zeigte sich in dem malerischen Tal des Dorfes mit wunderschönen Alleen dicker Bäume; voller Laub von gelb über orange bis rot. Das Bild erinnerte mich so sehr an die Region um Freiburg, sodass sich gerade angesichts des näher rückenden Abflugtermins doch ein bisschen Heimweh einschlich. Ich kann mich an keine idyllischere Landstraße erinnern, und bis dato hatten wir immerhin knapp 5.000 km auf der Uhr.


Nature's working. Toter Pelikan
Die Straße führte uns später wieder unmittelbar an der flachen Küste entlang. Die Gegend dort ist malerisch. Einsam und durch den Wind, die kraftlose Sonne und die hohen trockenen Gräser an den ewigen Sandstränden sah es manchmal so aus wie Sylt. Unter stahlblauem Himmel dampften wir über die schnurgeraden Straßen - unser Subaru schnurrte wie eine Katze, der Sprit war günstig, der Kühlschrank voll…doch wurden auch die Tage wurden kürzer, die Sonne schwächer und die Entfernung zum Ziel Melbourne immer kleiner. Über Wochen fährt man jeden Tag dutzende, hunderte Kilometer, denkt nicht viel über die Zeit oder die Distanzen nach und meint, dass das Land nie endet, Melbourne noch genauso weit weg ist wie in der Woche zuvor und uns noch ganz viel bevor steht – doch die Zeit bleibt auch 16.000 km fern der Heimat nicht stehen und so wird einem auf einmal doch wieder unweigerlich klar, dass das ganze roadtripping nicht für die Ewigkeit ist und die verbleibenden Stunden wie Sand in den Händen verrinnen. Die neu gewonnene Erkenntnis der Vanitas meiner Zeit in Australien war in diesen Tagen in meinem Kopf präsent, denn bis dato hatte ich das Gefühl, dass noch so viel Australien vor mir liegt.


Weil sich solche Gedanken aber wegseufzen lassen und ich Rule No. 1 „Never Complain“ verpflichtet bin, trübten sie höchstens zeitweise meine Stimmung oder die im Auto. Schließlich steht das letzte große Highlight Great Ocean Road noch komplett bevor und ändern können wir auch nichts dran. Wir machten also weiter wie gehabt – mit dem Einsetzen der Dämmerung wird wie immer nach einem Platz zum Schlafen Ausschau gehalten und wie immer nach erfolgreichem Aufbauen von Zelt, Stuhl und Tisch gekocht und gespachtelt.
Weil wir irgendwo im Nirgendwo waren und wir nicht direkt am Highway schlafen wollten (die Roadtrains sind auch abseits der Nullarbor sehr laut), bogen wir bei schwindendem Tageslicht auf eine Gravelroad rechts ab. Wir suchten nach einem Platz, der uns etwas Sichtschutz vor den Rangern bot. Wildcampen ist noch immer by law verboten und wir wussten nicht, ob wir gerade in einem Nationalpark umherfahren oder nicht. Den drakonischen Strafen sind wir schon einmal mit viel Glück entronnen; beim zweiten Mal würde uns aber sicherlich nicht so viel Nachsicht erwarten. Das war uns klar und so fuhren wir aus dem Nirgendwo bis kurz hinter den Mond. Weil uns aber auch das zu riskant war, bogen wir hinter dem Mond noch einmal rechts ab und fuhren mit unserem Allrad über Stock und Stein hinter einige Büsche. Dieser Stellplatz schien geeignet und wir bauten auf.


Das Licht war an diesem Abend faszinierend, wie im letzten Post zu sehen ist. Die Sonne tauchte die Felder in goldenes Licht, das die mit bloßem Auge zu sehende Dynamik der Farben surreal wirken ließ. Es war fast wie in Namibia, aber kälter.

Nach dem Essen haben wir noch einen Film auf Renés Laptop angesehen. Gegen zehn gingen bei uns immer die Lichter aus, weil wir stets früh aufstanden und abends froh um des Schlaf waren. So packten wir im Schein der Taschenlampe unser Zeug zusammen.
Die Ranger in Australien beginnen ihren Dienst unseren Insiderinformationen zufolge am frühen Morgen zwischen fünf und sechs Uhr. Für uns bedeutete das für die Risikominimierung ein ebenso frühes Aufstehen, um nicht erwischt zu werden. Damit wir morgens aber nicht erst demontieren und Tetris im Kofferraum spielen müssen, sondern schnell den Ort des Geschehens verlassen können, war das Auto am Abend soweit gepackt wie möglich. So haben wir es auch hier getan.

An dieser Stelle ist ein kleiner Exkurs vonnöten: Unsere Ausstattung von K-Mart. K-Mart ist über die kontinentalen Grenzen für seine unvergleichbare Qualitätsware bekannt – und für seine konkurrenzlos niedrigen Preise. Unsere Grundausstattung für Kochen, schlafen und Leben war nur durch dem australischen eBay Kleinanzeigen gumtree.com.au und K-Mart zu finanzieren. Zelte (water- & oxygenproof), Pfannen (extra sticky), Töpfe (oops you just made another dent), Schlafsäcke (anything but warm) und und und stammten von K-Mart – und unser Tisch.
Er sah für den Preis von unter 20$ echt gut aus, hatte Beine aus Aluminium und war auch an den Kanten mit Metall verkleidet. Die Beine konnte man für den Transport anklappen, denn das größte Problem des Subarus war die Größe des Kofferraums. Trotz der effizienzoptimierten Struktur und Ordnung war er immer voll. Im Laufe der Wochen haben wir, speziell Remco, ein Beladeplan mit Kompartimenten für die einzelnen Verwendungsbereiche im Kofferraum entwickelt. Rucksäcke gestapelt auf der einen Seite, der erste Campingkocher hier und der zweite dort, das Spüli immer an der selben Stelle, Schlafsäcke neben den Zelten und irgendwo vorne im Fußraum liegt auch der Geschirrschwamm.

Selbst die Schuhe sind aus dem K-Mart!

Den Tisch stellten wir immer aufrecht auf die lange Kante. Wenn man ihn bis an die hintere Sitzbank schob, passte er mit ein paar cm Luft gerade so rein. Wichtig ist „bis an die hintere Sitzbank“ und „gerade so“. Wir packten an besagtem Abend also unser Zeugs für den schnellen Abflug zusammen, Remco lud die Töpfe ein, René den Tisch und schnell war der Kofferraum beladen. Ich wollte den Kofferraum zu machen. Aha, mit einer Hand wars nicht kräftig genug, aber das passiert ja öfters bei dem alten Karren. Also mit zwei Händen und ordentlich Schwung – es tat einen Schlag und der Deckel war zu. Und die Scheibe kaputt.




Tisch aus China sticht Auto aus Japan. 1:0.

Und was jetzt?


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