Freitag, 13. Dezember 2013

Odyssee einer Heimreise

Ehe ich mich versah, saß ich in der 747 von British Airways mit Destination London.

747-400

Die Ausreise aus den USA stellt sich um einiges leichter dar als die Einreise. Ich ließ meinen Backpack bei der Gepäckaufgabe direkt komplett durchchecken – mein Weg führte über London. Dort hatte ich zwei Stunden Zeit, an das andere Ende des Terminals zu laufen, um mein Flugzeug nach Stuttgart zu nehmen. Dort sollte mich mein Empfangskommitee erwarten. So war der Plan!


Mit zwei, drei Mal umsteigen kam ich per AirRail zwar verschwitzt, aber ungestresst mit Backpack und Tasche am Flughafen an. Flugschein und Gepäckaufgabe waren schnell abgehakt und so hatte ich genug Zeit, meine letzten Dollars im Duty Free auf den Kopf zu hauen – in Amerika natürlich für Fast Food! In all den Monaten als wirklich sparsamer Backpacker ist selbst das Pressfleisch der Ketten etwas besonders.


Im Flugzeug wollte ich nach dem Start dann schlafen, doch bereits am Terminal verzögerte sich der Abflug. Kurz nach dem Boarding, das eine gefühlte Ewigkeit dauerte, sah ich unseren Slot beim ewigen Warten am Taxiway langsam wegfliegen und so hoben wir in New York erst mit über einer Stunde Verspätung ab.

Zu diesem Zeitpunkt trug ich die geschenkte Stunde meiner Reise mit Fassung, zumal mir der Abflug aus Australien schwerer gefallen ist. Vielleicht weil ich jetzt nicht mehr alleine war und endlich wieder ohne Internet Kontakt zu Familie und Freundin haben konnte, vielleicht weil Australien anders als New York einfach auf lange Zeit sehr weit weg bleiben wird – und vielleicht einfach deshalb, weil ich mich unglaublich auf das „alte Leben“ daheim freute. In den Monaten weit weg von dem Leben, das ich kannte, wollte ich mir den Dingen bewusst werden, die mir wichtig sind und die mir abroad fehlen. Darüber führte ich während der Reise eine Liste, und über die Zeit kamen auf die „Things I Miss“-Notiz auf dem iPhone items wie
  • Mein Fahrrad 
  • Fitness
  • Meinen Golf
  • „Mit Perwoll gewaschen“ 
  • WLAN
  • Zäpfle 
  • Die Autobahn und natürlich 
  • Ein ordentliches, weiches Bett ohne Schaumstoffmatratze.
Auf die Liste gelangten aber auch simpel erscheinende Dinge wie
  • Duschgel in der Dusche stehen lassen
  • Ein Kühlschrank ohne Schimmel
  • Ohne Waschbeutel Zähne zu putzen
  • Unzerknitterte Kleidung oder 
  • Brot mit Kruste.

Tatsächlich lernt man erst durch langen und unbequemen Verzicht, was einem wichtig ist und was nicht. Während meiner Reise habe ich zum Beispiel nie einen Fernseher vermisst, auch keine Couch und nicht einmal einen Rückzugsort – natürlich gibt es wohl wenig spannendere Dinge zu tun als auf eigene Faust und eigene Verantwortung ein Land zu erkunden, das als eines der schönsten und vielseitigsten der Welt gilt, aber trotzdem habe ich das nicht von mir erwartet. Unverzichtbar und einige Dollar wert waren mir während des Reisens aber vor allem

- Nutella. Ich habe einen nicht irrelevanten Prozentsatz meiner Lebensmittelausgaben in australian made Nutella gesteckt, weil ein Frühstück ohne Nutella einfach kein Frühstück ist. Lange vor dem Frühstück galt derweil der erste Griff jeden Morgen und der letzte jeden Abend meinem

- iPhone. Vorrangig das einfachste und beste Kontaktinstrument nach Europa, zweitrangig Notizbuch, Lonely-Planet-Guide, Tagebuch, Taschenrechner, Kontoauszug, Fotoapparat, Kochbuch und Heimkehrhilfe in einem. Ohne Smartphone würde ich niemals verreisen! Essentiell für jedes Mobiltelefon, ob Galaxy oder iPhone, ist dabei aber auch

- mobiles Internet. Sicher wären die Erlebnisse komplett offline noch persönlicher und damit intensiver für mich gewesen, doch irgendwo wollte ich dann doch ein Backup mit der Option „in 48 Stunden zurück nach Hause“ haben und nicht auf die einfache und unerschöpfliche Informationsquelle Google verzichten. Das Netz ist der größte Reiseführer, den es gibt! Diese drei Dinge waren mir sehr wichtig.


Es war ein schönes Gefühl, auf dem iPhone über die Bilder der letzten Monate zu scrollen und sich über die Dinge auf der Liste Gedanken zu machen, besonders weil sie mit jedem Kilometer buchstäblich näher kamen. Irgendwann konnte ich an nichts mehr anderes als Zuhause denken – ich wusste gar nicht, dass das möglich ist, wenn es einem alleine unterwegs doch so gut geht – und war froh, dass ich bis zum Sinkflug Schlaf fand.
Dummerweise hatten wir durch den verschobenen Flugplan unser Landefenster verpasst und mussten ins Holding. Über eine halbe Stunde flogen uns unsere vier Triebwerke im Kreis herum, bis wir endlich landen konnten – und klar war, dass der Flug nach Stuttgart ohne mich abheben wird.

Sightseeing, eine halbe Stunde lang

Ich dachte mir: Naja, dann geben sie mir halt den nächsten und ich bin zwei Stunden später in Stuttgart. Man hat mir und ungefähr zehn weiteren Gästen auch den nächsten Flug zugeteilt – acht Stunden später. Das war dann der Moment, an dem es auch mir nicht mehr gleichgültig war. Die Eltern waren längst auf dem Weg durch den deutschen Regen und durch meine australische SIM-Karte nicht zu erreichen! Glücklicherweise war British Airways sehr kooperativ und ließ mich mehrere Male auf ihre Kosten nach Deutschland telefonieren. Meine Hiobsbotschaft stieß auf verhaltene Freude…acht Stunden später! Ich fand das tatsächlich zu lang, um es sang- und klanglos zu akzeptieren und nach zwanzig Minuten Rumgetippe hatte die nette Britin am Schalter eine bessere Option gefunden: Mit AirBerlin – aber über Hamburg.

Wiedergutmachung von BA...

...und das Ergebnis

So führte meine Route von New York nach Stuttgart nicht nur über London, sondern auch über Hamburg. Meine Verspätung halbierte sich dadurch und ich betrat den ersten deutschen Boden und sah die ersten deutschen Polizisten 800 km von Ottenheim entfernt, aber als ich endlich in Stuttgart landete, war ich fertig mit den Nerven. So eine Odyssee nach den anstrengenden Tagen in New York geht an die Substanz, und als das Gepäckband nach zwanzig Minuten stehen blieb und mir noch immer keinen Backpack lieferte…da hatte ich genug und wollte endlich hinter die Glastüren.

Ganz artig hat man auf mich gewartet – Lexa war dabei und hat mich trotz ihrer alten Tage sofort wieder erkannt, der Wurm hielt eine Australienflagge und ein Schild mit „MAX“ wie ein Taxifahrer. Elisabeth war auch da, und natürlich meine Mutter. Johanna konnte leider nicht und mein Vater hatte noch einen Termin und kam kurz danach, doch war es echt schön, wieder die Menschen um einen zu haben, die man ordentlich vermisst hat. Es ist ein seltsames Gefühl und ich habe eine Zeit gebraucht, bis ich realisiert habe, dass ich jetzt wieder zurück bin – aber ich war so froh drum.


Selbst der Hund ist geschmückt
Daheim warteten Fahnen an der Türe auf mich wie auf einen Staatsgast aus Australien, Johanna hatte mir eine Collage mit Bildern als Willkommensgruß gebastelt. Nach einem halben Jahr ohne sein Zimmer und den Geruch von „daheim“ freut man sich eigentlich über alles. Es war so schön, wieder Zuhause zu sein!


<3

Endlich wieder daheim. Habs vermisst.

Ein Laib Himmel

Leider bedeutet ‚Zuhause‘ auch ‚nicht mehr Australien‘. Das war’s dann wohl! Und was werde ich vermissen?
Nunja, ich fürchtete mich vor allem vor einem Ende des easy life, das ich seit 180 Tagen lebte. Schlafen, wann, wo und wie lang du willst, stehenbleiben wo es dir gefällt und abhauen wo es dir nicht gefällt, den Tag mit Leuten zu verbringen, deren Namen du nicht kennst, die Uhrzeit, Datum und sogar den Wochentag zu vergessen und an der Straße einfach den Daumen zu heben; unwissend, was auf dich zukommt. Ja, das werde ich vermissen! Easy life bedeutet für mich, morgens aufzuwachen, wenn es draußen schon warm ist, aufzustehen und abzuwarten, was dir der heutige Tag bieten wird. Easy life bedeutet, den Moment, das Hier und das Jetzt zu genießen!

Ohne zu glorifizieren, habe ich mich fast jeden Morgen auf die kommenden Stunden gefreut und verbrachte die Zeit so unabhängig und frei, wie ich wollte und mir kaum besser vorstellen konnte. Aufsummiert und konzentriert ist diese Lebensweise und Lebenseinstellungen in meinen drei Regeln, die mich durch so manchen Tag brachten, mir aber vor allem unzählige unvergessliche Momente bescherten. Ich bin mir sicher, wer nach diesen Regeln lebt, lebt bewusster, aktiver und zufriedener, denn man übersteht, erlebt und akzeptiert.

Ich glaube, dass diese drei Regeln das wichtigste sind, das ich zurück nach Hause gebracht habe – sie sind seitdem das Fundament meiner Tage und ich hoffe, dass sie mir mein easy life in Europa auch weiterhin ermöglichen. Dass mir das Glück hold ist, zeigen 181 unfallfreie und positive Tage!
Einen riesigen Teil zu diesem rundum gelungenen Trip haben meine Eltern beigetragen. Ich musste tatsächlich ganz weit weg von Zuhause sein, um zu realisieren, wie groß der Support und wie sicher das Backup von daheim eigentlich ist. Ein easy life ist nur in Sicherheit möglich, und das geht auf das Konto der Eltern!




Über 70.570 km später schließe das Kapitel sechzehntausend km mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Das war echt eine tolle Zeit, die ich wirklich vermissen werde. So schade es auch ist, bin ich doch mit meinem Wehmut den drei wichtigen und unfehlbaren Regeln verpflichtet:



Never complain! Take it! Why not?!


Danke Johanna!

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