Die Ausreise aus den USA stellt sich um einiges leichter dar
als die Einreise. Ich ließ meinen Backpack bei der Gepäckaufgabe direkt komplett
durchchecken – mein Weg führte über London. Dort hatte ich zwei Stunden Zeit,
an das andere Ende des Terminals zu laufen, um mein Flugzeug nach Stuttgart zu
nehmen. Dort sollte mich mein Empfangskommitee erwarten. So war der Plan!
Mit zwei, drei Mal umsteigen kam ich per AirRail zwar
verschwitzt, aber ungestresst mit Backpack und Tasche am Flughafen an. Flugschein
und Gepäckaufgabe waren schnell abgehakt und so hatte ich genug Zeit, meine
letzten Dollars im Duty Free auf den Kopf zu hauen – in Amerika natürlich für
Fast Food! In all den Monaten als wirklich sparsamer Backpacker ist selbst das
Pressfleisch der Ketten etwas besonders.
Im Flugzeug wollte ich nach dem Start dann schlafen, doch
bereits am Terminal verzögerte sich der Abflug. Kurz nach dem Boarding, das
eine gefühlte Ewigkeit dauerte, sah ich unseren Slot beim ewigen Warten am
Taxiway langsam wegfliegen und so hoben wir in New York erst mit über einer
Stunde Verspätung ab.
Zu diesem Zeitpunkt trug ich die geschenkte Stunde meiner
Reise mit Fassung, zumal mir der Abflug aus Australien schwerer gefallen ist.
Vielleicht weil ich jetzt nicht mehr alleine war und endlich wieder ohne
Internet Kontakt zu Familie und Freundin haben konnte, vielleicht weil
Australien anders als New York einfach auf lange Zeit sehr weit weg bleiben
wird – und vielleicht einfach deshalb, weil ich mich unglaublich auf das „alte
Leben“ daheim freute. In den Monaten weit weg von dem Leben, das ich kannte,
wollte ich mir den Dingen bewusst werden, die mir wichtig sind und die mir abroad
fehlen. Darüber führte ich während der Reise eine Liste, und über die Zeit kamen
auf die „Things I Miss“-Notiz auf dem iPhone items wie
- Mein Fahrrad
- Fitness
- Meinen Golf
- „Mit Perwoll gewaschen“
- WLAN
- Zäpfle
- Die Autobahn und natürlich
- Ein ordentliches, weiches Bett ohne Schaumstoffmatratze.
Auf die Liste gelangten aber auch simpel erscheinende Dinge
wie
- Duschgel in der Dusche stehen lassen
- Ein Kühlschrank ohne Schimmel
- Ohne Waschbeutel Zähne zu putzen
- Unzerknitterte Kleidung oder
- Brot mit Kruste.
Tatsächlich lernt man erst durch langen und unbequemen
Verzicht, was einem wichtig ist und was nicht. Während meiner Reise habe ich
zum Beispiel nie einen Fernseher vermisst, auch keine Couch und nicht einmal
einen Rückzugsort – natürlich gibt es wohl wenig spannendere Dinge zu tun als
auf eigene Faust und eigene Verantwortung ein Land zu erkunden, das als eines
der schönsten und vielseitigsten der Welt gilt, aber trotzdem habe ich das
nicht von mir erwartet. Unverzichtbar und einige Dollar wert waren mir während
des Reisens aber vor allem
- Nutella. Ich habe einen nicht irrelevanten Prozentsatz
meiner Lebensmittelausgaben in australian made Nutella gesteckt, weil ein
Frühstück ohne Nutella einfach kein Frühstück ist. Lange vor dem Frühstück galt
derweil der erste Griff jeden Morgen und der letzte jeden Abend meinem
- iPhone. Vorrangig das einfachste und beste Kontaktinstrument
nach Europa, zweitrangig Notizbuch, Lonely-Planet-Guide, Tagebuch, Taschenrechner,
Kontoauszug, Fotoapparat, Kochbuch und Heimkehrhilfe in einem. Ohne Smartphone
würde ich niemals verreisen! Essentiell für jedes Mobiltelefon, ob Galaxy oder
iPhone, ist dabei aber auch
- mobiles Internet. Sicher wären die Erlebnisse komplett
offline noch persönlicher und damit intensiver für mich gewesen, doch irgendwo
wollte ich dann doch ein Backup mit der Option „in 48 Stunden zurück nach Hause“
haben und nicht auf die einfache und unerschöpfliche Informationsquelle Google
verzichten. Das Netz ist der größte Reiseführer, den es gibt! Diese drei Dinge
waren mir sehr wichtig.
Es war ein schönes Gefühl, auf dem iPhone über die Bilder
der letzten Monate zu scrollen und sich über die Dinge auf der Liste Gedanken
zu machen, besonders weil sie mit jedem Kilometer buchstäblich näher kamen.
Irgendwann konnte ich an nichts mehr anderes als Zuhause denken – ich wusste
gar nicht, dass das möglich ist, wenn es einem alleine unterwegs doch so gut
geht – und war froh, dass ich bis zum Sinkflug Schlaf fand.
Dummerweise hatten wir durch den verschobenen Flugplan unser
Landefenster verpasst und mussten ins Holding. Über eine halbe Stunde flogen
uns unsere vier Triebwerke im Kreis herum, bis wir endlich landen konnten – und
klar war, dass der Flug nach Stuttgart ohne mich abheben wird.
Ich dachte mir: Naja, dann geben sie mir halt den nächsten
und ich bin zwei Stunden später in Stuttgart. Man hat mir und ungefähr zehn
weiteren Gästen auch den nächsten Flug zugeteilt – acht Stunden später. Das war
dann der Moment, an dem es auch mir nicht mehr gleichgültig war. Die Eltern
waren längst auf dem Weg durch den deutschen Regen und durch meine australische
SIM-Karte nicht zu erreichen! Glücklicherweise war British Airways sehr
kooperativ und ließ mich mehrere Male auf ihre Kosten nach Deutschland telefonieren.
Meine Hiobsbotschaft stieß auf verhaltene Freude…acht Stunden später! Ich fand
das tatsächlich zu lang, um es sang- und klanglos zu akzeptieren und nach
zwanzig Minuten Rumgetippe hatte die nette Britin am Schalter eine bessere
Option gefunden: Mit AirBerlin – aber über Hamburg.
Wiedergutmachung von BA... |
...und das Ergebnis |
So führte meine Route von New York nach Stuttgart nicht nur
über London, sondern auch über Hamburg. Meine Verspätung halbierte sich dadurch
und ich betrat den ersten deutschen Boden und sah die ersten deutschen
Polizisten 800 km von Ottenheim entfernt, aber als ich endlich in Stuttgart
landete, war ich fertig mit den Nerven. So eine Odyssee nach den anstrengenden
Tagen in New York geht an die Substanz, und als das Gepäckband nach zwanzig
Minuten stehen blieb und mir noch immer keinen Backpack lieferte…da hatte ich
genug und wollte endlich hinter die Glastüren.
Ganz artig hat man auf mich gewartet – Lexa war dabei und
hat mich trotz ihrer alten Tage sofort wieder erkannt, der Wurm hielt eine
Australienflagge und ein Schild mit „MAX“ wie ein Taxifahrer. Elisabeth war auch
da, und natürlich meine Mutter. Johanna konnte leider nicht und mein Vater
hatte noch einen Termin und kam kurz danach, doch war es echt schön, wieder die
Menschen um einen zu haben, die man ordentlich vermisst hat. Es ist ein
seltsames Gefühl und ich habe eine Zeit gebraucht, bis ich realisiert habe,
dass ich jetzt wieder zurück bin – aber ich war so froh drum.
Selbst der Hund ist geschmückt |
Leider bedeutet ‚Zuhause‘ auch ‚nicht mehr Australien‘. Das war’s
dann wohl! Und was werde ich vermissen?
Nunja, ich fürchtete mich vor allem vor einem Ende des easy
life, das ich seit 180 Tagen lebte. Schlafen, wann, wo und wie lang du willst,
stehenbleiben wo es dir gefällt und abhauen wo es dir nicht gefällt, den Tag
mit Leuten zu verbringen, deren Namen du nicht kennst, die Uhrzeit, Datum und
sogar den Wochentag zu vergessen und an der Straße einfach den Daumen zu heben;
unwissend, was auf dich zukommt. Ja, das werde ich vermissen! Easy life
bedeutet für mich, morgens aufzuwachen, wenn es draußen schon warm ist,
aufzustehen und abzuwarten, was dir der heutige Tag bieten wird. Easy life bedeutet,
den Moment, das Hier und das Jetzt zu genießen!
Ohne zu glorifizieren, habe ich mich fast jeden Morgen auf
die kommenden Stunden gefreut und verbrachte die Zeit so unabhängig und frei,
wie ich wollte und mir kaum besser vorstellen konnte. Aufsummiert und
konzentriert ist diese Lebensweise und Lebenseinstellungen in meinen drei
Regeln, die mich durch so manchen Tag brachten, mir aber vor allem unzählige
unvergessliche Momente bescherten. Ich bin mir sicher, wer nach diesen Regeln
lebt, lebt bewusster, aktiver und zufriedener, denn man übersteht, erlebt und
akzeptiert.
Ich glaube, dass diese drei Regeln das wichtigste sind, das
ich zurück nach Hause gebracht habe – sie sind seitdem das Fundament meiner
Tage und ich hoffe, dass sie mir mein easy life in Europa auch weiterhin
ermöglichen. Dass mir das Glück hold ist, zeigen 181 unfallfreie und positive
Tage!
Einen riesigen Teil zu diesem rundum gelungenen Trip haben
meine Eltern beigetragen. Ich musste tatsächlich ganz weit weg von Zuhause sein,
um zu realisieren, wie groß der Support und wie sicher das Backup von daheim eigentlich
ist. Ein easy life ist nur in Sicherheit möglich, und das geht auf das Konto
der Eltern!
Über 70.570 km später schließe das Kapitel sechzehntausend km
mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Das war echt eine tolle Zeit, die
ich wirklich vermissen werde. So schade es auch ist, bin ich doch mit meinem
Wehmut den drei wichtigen und unfehlbaren Regeln verpflichtet:
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