Dienstag, 16. Juli 2013

Nordkurs oder: AWD statt 4WD



Teil 1 von 2

Die Durchquerung der Nullarbor hatte ihren ganz eigenen Reiz, weshalb uns die Tage trotz zu wenig Bewegung und zu viel Dosenfutter gefallen haben. In Ceduna am Ostende der Wüste hatten wir aber nach über als drei Tagen mehr oder weniger ständig im Auto - denn sonst kommt man gar nicht voran - genug vom Highway, seiner Eintönigkeit und den drängelnden Trucks. Wir planten unsere voranliegende Etappe nach Port Augusta und trafen eine klare Entscheidung: Dreck statt Straße.

Für mich persönlich hatte die Nullarbor-Etappe eine besondere Bedeutung: sie war die größte unserer Teilstücke und lag in der Mitte zwischen Startpunkt Perth und Zielpunkt Melbourne. Mit der Wüste im Hintergrund war damit klar, dass auch der Roadtrip endlich ist und die Zeit unaufhaltsam dahin schmilzt; egal wie oft man sich duscht und wie früh man aufsteht. Noch knapp zwei Wochen blieben mir in Australien - wohl wissend, dass wohl viele Jahre vergehen werden, bis ich diesen Kontinent wieder besuchen werde. Der Gedanke daran gefiel mir einerseits, weil ich wirklich gerne zurück nach Hause kommen wollte, andererseits machte es mich traurig, bald alles hinter mir lassen zu müssen. Glücklicherweise bot die Landschaft nun mehr Abwechslung als die Nullarbor, weshalb ich die schwindenden Tage ignorieren konnte.

Wieder etwas Neues: Berge und Büsche

Ein Blick auf die Landkarte stellt dar: nach Ceduna kann man zwischen drei Wegen nach Port Augusta wählen. Einem südlichen, einem nördlichen und dem direktem Highway dazwischen. Der südliche Weg folgt dem Küstenverlauf hinunter bis Port Lincoln am Zipfel der Landzunge mit Steilküsten, kurvigen Straßen und kleinen Dörfer und ist mit knapp 500 km der längste Weg Richtung Adelaide. 
Am kürzesten wäre der Weg über den Highway, auf dem wir auch die Nullarbor durchschnitten haben, mit ungefähr 200 km - sprit- und zeitsparend, aber langweilig, denn den Asphalt des Eyre-Highways hatten wir nun wirklich genug gesehen. Option 3 war ein großer Haken in den Norden, um dann parallel zum Highway Richtung Ostsüdost zu kommen, bis man bei der Wüsten"stadt" Iron Knob wieder auf den Eyre trifft. Wir zogen diese 300 km-Variante dem Küstenverlauf vor. Mit den immer redefreudigen Australiern haben wir an den Photo Points entlang der Wüste öfters über ihre Reiseerfahrungen gesprochen und ihren Empfehlungen zugehört, weshalb sich nach einigen Meinungen zu der Nord-Mitte-oder-Süd-Entscheidung klar herausstellte, dass sich der lange Weg nach Port Lincoln nicht lohnen würde.
Dafür sei die Gawler Range, eine Gebirgskette im Landesinneren, umso schöner. Ruhig, einsam, verlassen, umgeben von eindrucksvoller Natur klang verlockend - für den Nordweg gab es aber noch ein ganz anderes, sehr starkes Argument: dort gibt es keinen Asphalt, sondern nur unbefestigte Straßen mit Schotter und Staub.

Gravel soweit das Auge reicht.

Ausläufer der Gawler-Range

Beim Grenzübergang Ceduna machte ich mir zuerst aber fast in die Hose. Die Australier haben den Transport von Obst und Gemüse über Landesgrenzen hinweg by law verboten und wie jedes andere Gesetz mit üblen Geldstrafen sanktioniert. Da die Nullarbor als natürliche Quarantäne-Hürde agiert, gibt es im Osten und Westen Checkpoints, an denen man übriges Grünzeug abgeben kann, um die Ausbreitung von Krankheiten oder Fruchtfliegen zu verhindern. Unser Eski (so nennt man die Kühlboxen) war ein totales Chaos aus geschmolzenem Eis, aufgeweichten Packungen und schmutzigem Geschirr, weshalb wir nicht so wirklich wussten, ob noch irgendetwas, das einmal Obst oder Gemüse war, im Auto lag. Als man uns am Checkpoint tatsächlich anhielt und nach quarantäne-kritischem Material fragte, schlug mein Herz hoch und noch höher, als er zum Eski ging. Wir fanden schnell eine herrenlose Kartoffel - und die nahm er dann mit, ohne Ärger zu machen. Wahrscheinlich haben wir uns wirklich vollkommen korrekt verhalten, aber bei den Australiern weiß man angesichts ihrer Gesetzen ja nie, woran man ist und was einen erwartet - außer harten Strafen.


Bevor wir den Highway und damit die Zivilisation, wenn man davon sprechen kann, Richtung Gawler hinter uns ließen, sichteten wir unsere Sprit- und Nahrungssituation. Sprit war keiner mehr da, Toast ging dem Ende zu und das Wasser wurde dank undichter Verschlüsse auch immer weniger. Nur Dosen waren noch genug da; sie standen im Fußraum hinter dem Fahrersitz im ausgelaufenen Wasser, nachdem die Saugfähigkeit der Fußmatte ausgereizt war. Wir füllten also Sprit- und Wassertank wieder auf, spülten das Geschirr und besorgten uns Straßenkarten für eine ungefähre Orientierung ohne iPhone. Gegen Mittag verließen wir dann den ruhigen Asphalt für die laut rauschende Schotterstraße.


Unser erster Stopp auf dem Weg in den Gawler Range-Nationalpark war der Phildippa(?)-Rock. Als kleiner Ayers Rock liegt mitten in der Landschaft einige Kilometer vor dem Bergland ein großer, etwa zehn Meter hoher Stein. Da man ihn im Gegensatz zu seinem großen Bruder besteigen darf, bietet sich der "Gipfel" für ein Mittagessen mit Aussicht an.

Weil ich nicht weiß, wie er wirklich heißt: Little Ayers

360°

Unter den befragten Reisenden herrschte allgemeiner Konsens darüber, dass das Herzstück des Nationalparks die sogenannten Organ Pipes sind. Diese Felsformation ist in jedem Fall die fast zwanzig Kilometer Umweg wert, weshalb wir uns nach Little Ayers am frühen Nachmittag direkt auf den Weg machten. Wieder einmal zahlten wir per Umschlag bereitwillig Eintritt in den Nationalpark und folgen den Schildern Richtung Organ Pipes auf einer Straße, die immer enger und holpriger wurde. Irgendwann gelangten wir an ein Tor mit großen "4WD only".

Jetzt weiß der Australier um den Unterschied zwischen "4WD" und "AWD", nicht aber der europäische Backpacker - "4 Wheel Drive" ist nämlich nicht das selbe wie "All Wheel Drive". Die Bezeichnung 4WD bedeutet Geländewagen, AWD nur simpler Allradantrieb. Am Schild haben wir uns kurz angesehen und sind dann - natürlich - weiter gefahren. Weshalb soll ein Geländewagen denn besser sein als unser zugetürkter Subaru BJ 93?

Ein Offroadler in seinem Element!

Der Weg wurde nach dem Tor noch enger und noch holpriger. Es bildete sich eine ausgefahrene Spur aus, wie man sie von Feldwegen kennt. Da fiel uns dann auf, dass der Subaru zwar Allradantrieb hat, dafür aber weder Leistung noch Bodenfreiheit. Doch jeder, der diese Eigenschaften für notwendig hält, liegt falsch: wir fuhren einfach spurversetzt und mit Schwung. Durch diese Fahrweise blieben wir zum Einen nicht in der Luft hängen wie eine Schildkröte auf einem Stein und zum Anderen nicht in den Schlammlöchern stecken. Eine solche Geländetour mit dem ungeeigneten Auto macht nur dann Spaß, wenn man nicht auf das Fahrzeug Acht geben muss, dafür dann aber umso mehr!


Jeder durfte einmal ans Steuer und den Subaru über die Gräben balancieren. Wir fuhren ungefähr den halben Weg, bis wir uns dann nicht mehr weiter vorwagen wollten und stattdessen lieber den sicheren Fußweg nahmen. Diese Entscheidung war richtig, denn schon kurz danach kamen Stellen, die der Subaru nicht einmal mit viel Schwung und Übermut geschafft hätte.

Stillhalten...stillhalten...

Colin MacRae Etappenziel

Der etwa einstündige Fußmarsch führte uns dann endlich zu den Organ Pipes. Man kann in Australien fern der Touristenzentren tatsächlich ganz für sich Orte erleben, die eine Hotelanlage und Tagestouren verdient hätten - echte Trampelpfade, echte Natur. Wir folgten dem Pfad und kletterten ein bisschen, bis wir freien Blick auf die Organ Pipes hatten.


Da es mittlerweile später Nachmittag war, erglühten die Felsen in orange-goldenem Licht und es war fabelhaft, auf den warmen Steinen zu sitzen und das Panorama zu genießen. Eine vergleichbare Szenerie kannte ich aus Namibia; Temperatur, Steine, Farben und Fauna waren sehr ähnlich. Wir wussten schon jetzt, dass unsere Entscheidung für den Nordweg in Ceduna richtig war, auch wenn wir uns so langsam der konkreter werden Schlafplatzprobematik zuwenden mussten. Damit wir ranger-sicher werden, wollten wir noch bei Tageslicht aus dem Nationalpark herausfahren und so rissen wir uns bald wieder von dem Panorama los.


Fünf Jahre und 60.000 Bilder machen dem Belichtungsmesser der Nikon zu schaffen. Das viele Essen dafür mir

Im Tal fanden wir übrigens den Beweis, dass wir in der echten Natur sind: zwei Ziegen sind die Schlucht heruntergestürzt und verwesen seitdem neben dem Pfad.

Suchbild - ein ganz netter Gruß von Australiern, die wir am Little Ayers getroffen haben.

Wir machten uns auf den Weg und bemerkten bald, dass es keine geeigneten Schlafplätze entlang der Gravel Road gab. Deshalb wollten wir es ähnlich machen wie in Esperance und bei den Locals fragen - blöd nur, wenn es kaum Locals gibt. Es wurde dunkler und wir sichteten mehr und mehr Kängurus auf der Straße und in den Feldern, was uns beunruhigte, denn sie stellen auf den Schotterstraßen eine noch größere Gefhr darstellten. Wir fuhren also bei der ersten Farm ab, die wir entdeckten. Ich habe mich ehrlich gesagt schon gefragt, wer sich wohl aussucht, im australischen Outback zu leben...aber fragen kann man ja mal.

Rock Wallaby

Tatsächlich trafen wir einen Bärtigen an, der nach echtem Outback aussah, aber freundlich war. Auf seinem Gelände wollte er uns zwar nicht zelten lassen, doch dafür setzte er sich extra noch einmal in seinen Landcruiser und fuhr uns zu einem Platz entlang der Straße, der sich zum Campen eignete - wir hätten ihn wohl nur schwer im Dunkeln gefunden. Dort schlugen wir unsere Zelte auf. Es wehte kein Wind, der Vollmond schien und kein Laut war zu hören.

iPhone at its best

Auch diese Nacht war eine der magischen australischen mit der besonderen Mischung aus Freiheit und Einsamkeit, die man nicht so schnell vergisst.

Teil II ist im Rohr und wartet auf die Veröffentlichung!

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