Mittwoch, 25. September 2013

Online again - Stay in Adelaide


Nach hunderten Kilometern auf Gravel und Tagen ohne Asphalt fühlten sich die 50 geteerten Kilometer von Iron Knob nach Port Augusta an wie im Airbus. Gequält von Tagen ohne Internetzugang am Laptop fuhren wir mehr oder weniger direkt zum goldenen M, um dort das Free WiFi zu nutzen, Musik auf Renés mp3-Player zu kopieren und die Fotos der vergangenen Woche zu sichten. Die im vorangegangenen Betrag gezeigten vier Portionen Eis sind unsere Eintrittskarten in das Internet - denn die Soft Cones sind mit 30ct/Stück australienweit die günstigste Möglichkeit, online zu gehen.

Port Augusta ist für uns nur ein Zwischenstopp gewesen. Wir frischten unsere Vorräte an Verderblichem wie Fleisch, Gemüse oder Toast im örtlichen Coles auf und überlegten uns die ungefähre Route der kommenden Tage. Irgendwie war Melbourne und die Great Ocean Road als letzte Etappe doch nicht mehr so weit weg wie man es eigentlich gerne hätte - die schwindende Zeit verlangte Planung, um nicht allzu früh oder gar zu spät in Victorias Hauptstadt anzukommen. Außerdem mussten wir uns allmählich mit dem Verkauf des Subarus beschäftigen.

Irgendwas war komisch - nach 300 km Stock und Stein

Im McDonalds gab es ein Wiedersehen. Der aufmerksame Blog-Leser und Bildbetrachter hat sich unter Umständen das Foto unserer Windschutzscheibe in "Nordkurs oder: AWD statt 4WD" angesehen und bemerkt, dass einer der Scheibenwischer aufgestellt war und unter dem anderen die besten Fruchtgummischlangen lagen, die wir bis dato gegessen hatten. Dieser Gruß stammte von zwei australischen Familien, die wir ganz zu Beginn unserer Schotterstraßen-Exkursion am "Little Ayers" getroffen haben. Typisch-australisch sind wir ins Gespräch gekommen - sie waren in der Gawler Range (wie wir auch; Geländekatze Subaru) mit echten 4WD-Fahrzeugen im Urlaub.

Kostet nichts! Eine Fähre ersetzt die Straße auf unserem Weg.

Da wir uns an den Organ Pipes noch einmal trafen und uns wieder nett unterhielten, haben sie wohl bei dem am Straßenrand parkenden Subaru angehalten und uns die Schlangen drapiert. Diese Schlangen waren so genial, dass wir von dort an systematisch die verschiedenen Geschmacksrichtungen der Hersteller des Kontinents durchprobierten. Ich kann vorgreifen und leider resumieren, dass diese Sorge erfolglos blieb und meine liebste Süßigkeit in Reichweite auch weiterhin TimTam ist. Die Schlangen begegneten wir leider nie wieder – wohl aber unsere 4WD-Freunde. Hunderte Kilometer von Little Ayers begegnet uns die Gummischlangenfamilie. Unser Subaru ist ja glücklicherweise dank der markanten Dellen, Lackflecken, Dreckspuren und durchhängenden Hinterachse einfach wiederzuerkennen und so haben wir die nächste Lage Schlangen bekommen. Allrad verbindet.

Mit dem Einbruch der Dämmerung bereiteten wir uns auf die Weiterfahrt vor. Wir wussten nicht, wo wir schlafen sollten und erst nach einigen Stunden und viel mehr als den ungefähr angepeilten 20 Kilometern fanden wir einen Rastplatz zwischen dem viel befahrenen Highway und einer nicht weniger genutzten Bahnstrecke. Der Kontrast zwischen den tollen Locations in der Gawler Range oder dem Südwesten und diesem unbequemen Flecken Asphalt inmitten einer Verkehrsader zeigte uns, dass die schöne "lonesome rider"-Phase vorbei ist. Adelaide lag in Reichweite und wir trafen schon am Vormittag ein - vollkommen abgerissen, ungeduscht und in alten Klamotten.


Adelaide ist neben Melbourne mit über 1,1 Millionen Einwohnern die einzige echte Großstadt im Südosten Australiens. Sie ist eine der wenigen großen Städte Australiens, die nicht aus einer britischen Sträflingskolonie entstanden ist. Sie ist die Hauptstadt des Bundesstaates South Australia und man sagt zu ihr auch, dass sie "The dryest city in the dryest state of the dryest country of the dryest continent of the world“ ist, also "Die trockenste Stadt im trockensten Staat des trockensten Landes des trockensten Kontinents der Welt". In Backpacker-Berichten trotz dem Millionenstadt-Bonus jedoch vorwiegend als eines beschrieben: langweilig.

actionreich

Wir trafen also nicht ganz vorurteilsfrei in Adelaide an. Unser Weg führte wie üblich zuerst zum Visitors Centre, denn wir wollten wissen, wo wir uns mithilfe sanitärer Anlagen wieder in einen sozialverträglichen Zustand bringen konnten. Wir hatten es auf ein Schwimmbad abgesehen, denn viel Wasser hilft viel!
Für eine Millionenstadt war die Schwimmbadauswahl in Adelaide aber recht mau und so entschieden wir uns, vorerst ohne Dusche in die große Bücherei einzuziehen, um Computer, Handy und Kamera aufzuladen. Ich brachte Teile meiner Bilderbibliothek in Lightroom auf Vordermann, doch leider hat mein Laptop an diesem Tag final seinen Geist aufgegeben und ich konnte seitdem keine Bilder mehr bearbeiten.


Wir verbrachten fast den ganzen Tag in der Bücherei. Zwar ist Remco immer aktiv und nicht der Freund von Nachmittagen am Computer, aber ich persönlich hatte ein echtes Bedürfnis, all die angestauten Nachrichten zu lesen, zu beantworten und Bilder durch das Netz zu schicken. Remco wurde dafür mit dem Abendessen versöhnt - es gab endlich wieder Free BBQs.


Ich hatte das Glück, mit zwei engagierten und nicht untalentierten Köchen reisen zu dürfen. Das Kochen überließ ich fast immer René und Remco und arbeitete nur zu - ich habe mich eher für Geschirrspülen verantwortlich gefühlt. Das kann ich auch echt gut. Weil wir jetzt endlich wieder frisch einkaufen konnten, stand nach langem Zwangsvegetarismus wieder Fleisch auf dem Speiseplan und René und Remco zauberten - unübertrieben - die besten Känguru-Burger, die ich je in meinem Leben gegessen habe. Perfekt gewürzt, außen fest und innen fast roh und wunderbar saftig. Nach Tagen bestimmt von politisch korrekter Lebensweise (spritsparen, kein Fleisch, keine Dusche etc.) mit Chili sin Carne waren die Burger mit Tomate, Salat, Ketchup und Zwiebeln einfach nur göttlich. Die Erinnerung an sie ist noch nach Monaten immer präsent.

Dieser Abend ist jedoch nicht nur wegen unserem kulinarischen Höhenflug erinnerungswürdig. Fast wäre neben dem Känguru noch ein weiteres Tier ums Leben gekommen.
Schon als wir unser Equipment zum Kochen aufbauten, bekamen wir Besuch. Direkt am Fluss gelegen, befinden sich die BBQs in Reichweite der großen australischen Gänse. Die haben wohl gelernt, dass bei einem Grillfest der ersten Welt Essen immer übrig bleibt, auf den Boden fällt oder weggeworfen wird und so schlenderte von der ersten Minute an eine ca. ein Meter große Gans um uns herum. Ihr großer Schnabel war von der Evolution über Generationen perfekt auf die Höhe des BBQs angepasst worden, weshalb sie in Kombination mit ihrem ausgeprägten Futtertrieb eine ernsthafte Gefahr für unsere Burger wurde. Diese ökologische Nische war allerdings schon durch uns besetzt und ich war nicht gewillt, zu teilen (survival of the fittest), weshalb wir uns von Beginn an gegen sie wehrten. Wer isst hier wen?




Ich gebe zu, dass mir das Vieh mit seinem Schnabel in Schritthöhe unheimlich war und so habe ich die Verteidigung des Reichsgebiets dem anderen Deutschen überlassen. Jeglichen Vorurteilen zum Trotz war diese Vertreibung aber nicht erfolgreich und unsere Gans kehrte immer wieder zurück. Hier kommt die auto motor und sport hinzu.

Die am&s - zu besseren Zeiten!

Meine letzte deutsche Zeitschrift habe ich im Dezember 2012 gelesen. In Australien bekommt man vielleicht den "Spiegel", aber ganz gewiss keine auto motor und sport - umso mehr habe ich mich über das Mitbringel der Eltern mit Seltenheitswert gefreut. Noch ungelesen habe ich sie mit zum BBQ genommen und nebendran auf den Boden gelegt. Die Gans wählte also eine sehr perfide Art der Rache für mein andauerndes Bespritzen mit Wasser...denn anstatt sich nur auf die Zeitung zu setzen oder sie zu zerfetzen, kackte sie mir mitten auf das Cover. Der große Fladen flüssiger grüner Masse weichte innerhalb von Sekunden die Seiten durch und zerstörte meine Zeitung. Ich habe ihr das übel genommen und mich in der Entscheidung gegen ein vegetarisches Leben bestätigt gefühlt.

evil eyes.


Für die Übernachtung fanden wir über das Internet einen tollen Platz, an dem wir unsere Zelte aufschlagen durften. Zwar lag er etwas außerhalb der Stadt, doch gab es einen Parkplatz, Toiletten mit fließend Wasser und sogar einen BBQ. Um zu einem idealen Campingplatz zu kommen, müssen viele Variablen stimmen. Es darf nicht zu weit in der Pampa sein, doch muss auch irgendwo Leben zu sehen sein, er muss einfach anzufahren sein, doch darf nicht neben einer Straße liegen, er braucht eine (Busch)toilette, darf nicht gegen Gesetze verstoßen –in Australien gar nicht so einfach- und und und.  Weil die Situation an diesem Platz weit besser war, als man erwarten darf, haben wir uns besonders gefreut und wären sicher länger als zwei Nächte in Adelaide geblieben. Allerdings stellte sich am nächsten Tag heraus, dass die Stadt tatsächlich so uninteressant ist, wie ihr Ruf besagt. Schon nach wenigen Stunden haben wir das Zentrum der Stadt gesehen und uns trotz des voreilenden Rufs nicht ohne Enttäuschung nach anderen Beschäftigungsmöglichkeiten umgeschaut.


Nur wenige Tage zuvor war ANZAC-Day - an diese Tag denkt man den gefallenen Soldaten Australiens

Dem Marsch durch Adelaide ging allerdings ein sehr wichtiger Stopp voraus: wir durften endlich wieder duschen. Ich kann mich bis an die tiefe Kindheit an keine längere Phase ohne Dusche erinnern. Wir alle freuten uns sehr auf warmes, fließendes Wasser und wollten, dass es etwas Besonderes wird - deshalb haben wir ein paar Dollar in die Hand genommen und uns den Eintritt für ein Schwimmbad gegönnt. Ich habe mindesten 20 Minuten am Stück geduscht...während den Wochen im Subaru habe ich vieles besser zu schätzen gelernt.

Internationale Bekanntheit hat Adelaide weniger wegen seiner Gebäude oder Parks, sondern eher wegen des alten Bahnhofs und dessen Casino im Untergeschoss. Weil die zwei Straßenzüge der Stadt schnell erkundet waren, flüchteten wir in die Spielhölle - vorbei an der Security, die sich nicht für unsere Gammelklamotten, aber Ausweise interessierte. 

Das Adelaider Casino ist wirklich ausgesprochen schön. In den Räumen mit hohen Decken stehen die größeren Spieltische und es herrscht die typische Casino-Atmosphäre durch die Musik, die dunkle Einrichtung und den Angestellten in Anzügen. Dennoch bemerkt man sofort, dass man nicht in Vegas ist: zum einen sind weder Türsteher noch Kartengeber schwarz, zum anderen sind die Spieler zu dünn und vor allem zu chinesisch. Es ist unglaublich, wie viele Asiaten wir mit wirklich hohen Summen spielen sehen haben - 300$ rein und zack 300$ weg. Hand in die Tasche und drei weitere Scheine drauf...zack aaaaand it’s gone.
Wir sahen diesem Treiben einige Minuten zu, bis ich nicht mehr konnte: leider bin ich mit einer Affinität zum Glücksspiel gestraft, weil ich mir bei eigentlich jedem Wurf sicher bin zu gewinnen. Und wenn man halt das eine Mal verliert, setzt man beim zweiten Mal mehr, weil es da ja schließlich klappen wird. Mein Glück war all die Monate sehr zuverlässig, warum also nicht ein paar Dollar damit verdienen? Zum Glück habe ich mich mit Remco und René einigen können: wir wollten spielen, aber nur ein einziges Mal. Also begaben wir uns zum Roulette-Tisch, rechneten die Quersumme unserer Geburtstage aus und setzten 2,50$ auf die 36. Die Kugel rollte und...36, ein Max hat immer Glück! Ich weiß nicht mehr genau, wie viel wir gewonnen haben, aber in unseren Köpfen hat es die nächsten zwei Wochen als Rechtfertigung für jede unvernünftige Investition gereicht.


Nach diesem Erfolg konnten wir Adelaide getrost verlassen. Auf einem West-Ost-Küstentrip darf die Stadt sicher nicht fehlen, aber auf jeder anderen Reiseroute gehört sie nicht zum Pflichtprogramm. In dieser Hinsicht waren wir uns einig. Frisch geduscht und mit Taschen voller Geld (oder so) brachen wir am nächsten Morgen in der Früh zuerst etwas ins Landesinnere und dann entlang der Küste Richtung Süden auf - den Subaru wieder bis zum Dach voll mit Sprit, Wasser und Fleisch!



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