Soeben bin ich in Brisbane angekommen, ausgezehrt von einer langen und schlaflosen Reise. Doch waren diese 1.400 Kilometer ein toller Trip, der schwierig anfing und einfach endete. Mein Tauchausflug am Great Barrier Reef wird an einer anderen Stelle gebührend Erwähnung finden.
Nach mehr als 24 Stunden auf Achse lässt jegliche Muse auf sich warten. Dabei wäre wieder einmal jede Etappe einen Beitrag wert - sieben Fahrer haben mich von der Nordspitze meiner Reise Cairns zur Halbzeitdestination Brisbane befördert. Und das in nicht einmal 72h zu einem sehr überschaubaren Geldbetrag.
Schon längere Zeit spielte ich mit dem Gedanken, nicht mit dem Flugzeug von Cairns nach Sydney zu kommen, wo ich am kommenden Sonntag um 6:45AM den Rest der Familie abholen werde. Nach den überaus guten und vielfach unvergesslichen Erfahrungen auf dem Weg in den Norden wollte ich mein zuverlässiges Glück herausfordern und die langweiligen drei Stunden im Flugzeug gegen 29 spannendere Stunden in fremden Autos tauschen.
Für die knapp 2400 km von Cairns bis nach Sydney plante ich bei einer Tagesleistung von erhofften 600 km vier plus eins Tage ein. Ein sehr ehrgeiziger Plan, weshalb ich Cairns am Dienstag so früh wie möglich verlassen wollte.
Ich fürchtete die Schwierigkeiten, aus einer Stadt einen Lift zu bekommen und wollte daher die "out of town"-Etappe im Vorfeld absichern. Leider ist die deutsche Jugend nicht so verlässlich, wie ihr Ruf erwarten lässt - Montagnachmittag traf ich mich mit einigen deutschen Reisenden, die über eine Internetbörse für australische Backpacker einen Sitz in ihrem Auto angeboten haben. Wir vereinbarten, am nächsten Morgen loszufahren. Nach aber nur zwei Stunden bekam ich eine SMS, dass sie nun doch schon losgefahren seien; ich würde schon irgendwie anders aus der Stadt kommen. Bitter-ironisch an diesem im-Stich-Lassen ist, dass wir noch vor Ort über die mangelnde Verlässlichkeit und die "den seh ich doch nie wieder"-Mentalität gesprochen haben.
So musste ich es am kommenden Morgen doch in der Stadt versuchen und war trotz längerem Handhebens nicht erfolgreich: Aus einer Stadt kommt man praktisch nicht raus. Zu viele Autos, zu viele Richtungen, zu viele Freaks in den Straßen. Man wurde bestenfalls ignoriert, andere zeigten mir einen Vogel, einmal wurde ich sogar mit "get a car" aus einem vorbeifahrenden Auto angebrüllt. Jedoch hatte ich noch einen Plan C, der mich für 15$ Fuelshare bis in das 380 km entfernte Townsville brachte:
Lift 1 |
Das für nur noch drei Wochen in Australien bleibende Pärchen Sarah und Torben brach ebenfalls am Dienstag Richtung Süden auf. Über Mission Beach kamen wir eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang am Nordende Townsvilles an und ich lies mich am Highway herauswerfen, um noch weiter in den Süden zu kommen. Das Tagesziel war eigentlich Airlie Beach.
Allerdings war meine Kreuzung ungeeignet. Der Verkehrsfluss ging nach Norden aus der Stadt heraus, Südverkehr kam zu schnell an und die einsetzende Dämmerung machte es auch nicht einfacher. Ich weiß nicht, ob die nordwärts fahrende junge Samoanerin nur nett war, als sie mir einen Lift zu einem besseren Spot anbot, oder ob ein einsamer Backpacker an einer Highwaykreuzung, ein gemaltes "S" haltend, so mitleidserregend aussieht.
Die besser Stelle war allerdings nicht wirklich eine bessere Stelle. Wir verschlimmbesserten meine Situation, als sie mich in fester Überzeugung, dass das ein super Ort wäre, im Industriegebiet herausließ. In der kommenden halben Stunde wurde ich wieder angehupt und niemand hielt an, weshalb ich gegen halb acht meine Weiterreise in völliger Dunkelheit aufgab und mein Hostel in Townsville anrief. Das Civic Guest House war so nett und holte mich mit ihrem Van ab.
Dieser überaus resignierende erste Tag führte mich zur Überzeugung, dass Trampen bis Sydney in dieser kurzen Zeit schwierig werden könnte. Aus diesem Grund entschied ich mich, nur noch 1.400 km nach Brisbane statt der 2.100 km nach Sydney hitchzuhiken - das entzerrte den Terminplan und reduzierte das Risiko eines Zuspätkommens, welches mich durch die Hände meiner eigenen Mutter den Kopf kosten würde. Zugegeben, mir hat diese Planänderung auch besser gefallen.
Jedoch denke ich, dass das Scheitern am ersten Tag die Grundlage des Erfolgs des zweiten war. In der Küche traf ich nämlich zwei in München lebende Reisende aus Sachsen und Sachsen-Anhalt, die auch auf der Tauchtour in Cairns waren und mich sofort wieder erkannten. Mit einem Gedanken an die noch frische Desperation der ersten Tages fragte ich noch vor der Kennenlernphase, ob sie denn einen Platz in ihrem Mietwagen frei hätten...trotz dieser dreisten Überrumpelung (Entschuldigung dafür!) kamen wir gut miteinander zurecht und so brachen wir am kommenden Morgen um halb neun nach Airlie Beach auf.
Lift 3 |
Durch diese Mitfahrgelegenheit war die schwierigste Hürde - die Stadtgrenze - überwunden und es ging schnurstracks zur Abfahrt Richtung Airlie Beach. Glücklicherweise ist mir Hitze lieber als Nässe, denn das Wetter blieb ganztägig trocken und so waren die 20 Minuten an der Kreuzung recht bequem. Wenn der Spot stimmt, ist Erfolg nur eine Frage der Zeit und ich wurde aufgesammelt ("I'm lucky that I saw you. I'm so fuckin bored!"). Da sich unsere Wege aber nach nur zwanzig Kilometern trennten, stand ich kurz darauf wieder am Straßenrand.
Lift 4 |
Nach wieder nur 20 Minuten stoppte ein irischer Lastwagenfahrer. Leider war es kein Roadtrain, sondern nur ein kleiner, klappriger Pritschenlaster, doch kam ich so über Straßen quer durch die verlassene Pampa fast bis nach Mackay. Er gab mir ungefragt ein Rating über Drogen wie Extasy (war es wirklich eine deutsche Erfindung aus dem Krieg?) und ihre Nachweisbarkeit; und wenn man seinen Worten glaubt, ist halb Australien am Kiffen.
Lift 4 |
Unterwegs bekam er einen Anruf eines Freundes und er musste in eine andere Richtung. 25 km bis zur nächstgrößeren Stadt Mackay musste ich nicht länger als 15 Minuten daumen, bis mich von einem sehr freundlichen Kajakfahrer bis zur Shell-Tankstelle in der Stadt mitgenommen wurde. Gegen drei kam ich in Mackay an.
Lift 5 |
Zwischen Mackay und Rockhampton liegen 300 km nichts. Ich wollte also nur einen direkten Lift oder zum nächsten Truckstop, denn ich wollte keine Nacht im Nirgendwo riskieren. Da die Shell-Tankstelle etwas ungünstig lag, ging es fast 25 Minuten, bis ich aufgesammelt wurde. Und bei diesem Kerl musste ich mich ehrlich gesagt überwinden:
Lift 5 |
Bis zum Truckstop waren es nur zehn Minuten Fahrt, auf der ich mit Händen und Füßen versucht habe, einen Dialog aufzubauen. Er reagierte selten und wenn, war es unverständlich in den Bart genuschelt. Ich war froh, als ich dem faktischen Monolog über Australien, meine Reise, hitchhiken und Deutschland entronnen war!
Mit Sack und Pack bin ich dann zu den parkenden Lastwagen gegangen. Riesige, laute Zugmaschinen, die die Maße der deutschen LKWs bei Weitem übertreffen hatten, zogen verschieden lange und schwere Trailer (dank eines Briefings des Kleinlasterfahrers weiß ich nun über die Bezeichnungen und Unterschiede bescheid). Ein Lift im Lastwagen würde nicht nur einfach weil lange sein, sondern auch einen echten Traum von mir erfüllen. Die sich ausruhenden Lastwagenfahrer waren sehr kommunikativ und freundlich, die Hälfte von ihnen ging noch in der Nacht nach Brisbane - doch alle hatten die selbe Antwort: sorry mate, I can't risk it.
Denn leider versichern fast alle Speditionen nur ihre Lastwagen, die Ladung und den Fahrer, nicht aber Passagiere. Wenn dann doch etwas passieren sollte (bis zu 100 Tonnen bremsen nicht so leicht) drohen ernsthafte Gerichtsverhandlungen, die kein Fahrer gerne riskiert. Einer war allerdings so nett und sagte, dass er mich einladen würde, wenn ich noch immer nichts gefunden hätte wenn er aufbräche.
Es lief also doch wieder auf die Kreuzung hinaus und angesichts der fortschreitenden Zeit wurde ich etwas unruhig. Nach einer halben Stunde winkte mich ein Mann zu sich.
Und zwar hatte mich Derrick auf dem Weg von seiner Arbeit an der Shell-Station in Mackay gesehen. Als er mich ein zweites Mal wiedererkannte, hielt er es für einen Wink des Schicksals und er nahm mich als siebten Lift des Tages mit nach Rockhampton.
Er ist Mittfünfziger und ein als Hausmeister tätiger ehemaliger Feuerwehrmann. Auf der 3,5-Stunden-Fahrt nach Rocky unterhielten wir uns über verschiedenste Themen sehr lebhaft und so bot er mir an, noch weiter mitzufahren: Sein Ziel wäre Toowooba, 120 km westlich Brisbane. Natürlich wollte ich!
Gegen acht Uhr abends kamen wir in genau dem Truckstop an, in dem ich die halbe Nacht verbracht hatte, als ich auf meinen Bus nach Airlie Beach wartete. Dieses Deja-vu war ein seltsames Gefühl - niemals hätte ich mir träumen lassen, dort noch einmal zu sitzen!
Wir fuhren bis auf eine Stunde Pause die ganze Nacht hindurch. Er bat mir an, auch zu fahren, doch war ich zu müde und wollte weder uns noch den nagelneuen Nissan Pick-Up riskieren. Um ihn aber wachzuhalten, schlief ich nicht länger als 30 Minuten und so erreichten wir um fünf Uhr früh die westlichste größere Stadt Queensland Toowooba, wo Derricks Bruder lebt. Es ist unglaublich, aber ich hatte doch tatsächlich mehr als 800 km in einem Auto gesessen und war fast in Brisbane! Besser hätte es wohl kaum laufen können.
Zum Umfallen müde, wartete ich in einer Tankstelle auf das Einsetzen des Berufsverkehrs in Richtung Brisbane. Da man ca. zwei Stunden bis in das Stadtzentrum braucht, stand ich um sechs Uhr morgens wieder mit einem Schild (Brissy) an der Ecke. Fünf Minuten später saß ich im warmen Ford von Colin, der in Brisbane für eine Bank arbeitet. Dies war mein letzter Lift und ich erreichte das 1.400(!!)km entfernte Brisbane in weniger als 24h. Diesen Trip werde ich nie vergessen!
Lift 7 |
Zugegeben: Ich bin froh, nun angekommen zu sein und mich nicht noch weitere 700 km an die Straße stellen zu müssen. Fortuna hat wieder einmal gezeigt, dass sie alles im Griff hat und ich möchte sie nicht überstrapazieren. Ihr Job ist nun dafür zu sorgen, dass ich meinen Flug nach Syndey am kommenden Samstagabend nicht verpasse.
Brisbane ist also meine letzte Station vor dem kommenden Dreiwochenurlaub, der für mich übrigens auch hier endet - ich freue mich sehr auf meine Familie und zähle die Stunden bis zu ihrer Ankunft.
Bis dahin werden noch Bilder des Great Barrier Reefs folgen - es herrschte bestes Wetter. Ein Max hat immer Glück!
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